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Familiengeschichten - Ein Gespräch mit den Baldaufs

Familiengeschichten - Ein Gespräch mit den Baldaufs

GEBRÜDER? GESCHWISTER!
In fünfter Generation wurde aus den Gebrüdern ein Geschwister Baldauf. Zwei Brüder samt kleiner Schwester, um genau zu sein. Ein Trio, ohne das die Firma Baldauf in
vieler Hinsicht nicht da wäre, wo sie jetzt steht. Wobei alle drei erstmal ihren eigenen Weg gingen, ohne groß in die Materie Käse einzusteigen: Georg ist studierter  Maschinenbauingenieur, Markus Volkswirt und Steuerberater in Lindenberg, Martina hat es nach München gezogen, wo sie sich Grafikdesign und Kreativdirektion verschrieben hat. Von den Geschwistern war erstmal niemand an der Firmenführung interessiert, so dass nach dem frühen Tod vom Vater die Geschäftsleitung familienextern vergeben wurde. Herbert Baldauf war einer, der die Ärmel hochgekrempelt hat: er stellte die Produktion von Emmentaler auf Alpkäse um und rettete so, zusammen mit seiner Frau Eva, die Firma Baldauf und einige Sennereien. Hauptberuflich war er, trotz der eigenen Firma, lange Jahre bei Hochland beschäftigt und baute als Direktor sogar deren Dependance in Frankreich auf. Als Georg sich 2012 beruflich umorientieren wollte, beschloss man gemeinsam, ihm den Geschäftsführerposten anzubieten. Inzwischen sind Martina und Markus auch mit von der Partie, allerdings eher im Hintergrund. Markus kümmert sich um die finanziellen Belange, wenn es um Steuerfragen oder Investitionsplanung geht und Martina ist fürs Marketing und die kreative Gestaltung verantwortlich.

WILLKOMMEN DAHEIM!
Heute trifft man sich im 1933 erbauten Baldaufhaus, das hinter dem Firmensitz, auf einem Hügel mit Blick auf die Stadt Lindenberg und die neue Sennerei steht. Mittlerweile
lebt Georg hier und heißt uns in seiner gemütlichen Küche willkommen. Bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen machen wir es uns auf der Eckbank bequem, die Sonne
scheint durchs Fenster auf eine faullenzende Katze am Küchenboden. Im Treppenhaus hüpft eine von Martinas Töchtern in Richtung Garten, draußen gackern die Hühner,
während im oberen Stockwerk jemand Musik hört … hier ist immer was los.

KÄS: Habt Ihr eine erste Erinnerung an den Käse in Eurem Leben? Wann wurde Euch bewusst aus einer Käserfamilie zu kommen?
Unter lautem Lachen sind die drei sich einig, ihre erste kindliche Käse-Begegnung beim Frühstück in Form eines Käsebrotes gehabt zu haben.
Georg: Bei mir sind es zwei Erinnerungen. Die allererste ist, wie unser Vater stolz sein neues Büro präsentiert, in der alten Stube von Frau Lorenz. Da ging er ins neue Büro
und hat zur Feier des Tages seinen Schnaps rausgeholt. Die erste bewusste Begegnung mit unserem Alpkäse war eine Werbeaufnahme in den Siebzigern (siehe Heftseite 25 ). Ich erinnere mich an eine Löwenzahnwiese oben in Hopfen, im Frühling auf der sie den Käse schön drapiert hatten. Es gibt sogar ein Foto, wo ich neben dem Käse in der Wiese sitze, da muss ich so vier gewesen sein.
Martina: Meine erste Erinnerung war, als der Vater mich mitgenommen hat auf die Sennerei. An Hopfen, die erste Sennerei, kann ich mich noch gut erinnern.
Markus: In Hopfen haben sie damals immer noch Emmentaler gemacht, den wir als Kinder gegessen haben.
Martina: Ich erinnere mich auch noch, dass wir runter ins Käslager sind, da hatten wir damals sogar unseren Hund dabei und die Senner standen mit Zigarette im Mundwinkel beim Käse schmieren. Auf der Rampe, unserem privaten Kinderspielplatz, haben wir Fahrrad- und Rollschuhfahren gelernt.
Georg: Damals war das alles nur ganz klein, anfangs gab es ja noch nicht mal den Laden.
Markus: Es gab keinen Laden und kein Lager, sondern nur den alten Alpkäskeller und das war’s. … es gab eine Bauernstube mit 20 Quadratmetern, das damals
die Firmenzentrale war.
Georg: Ja genau, mit Heiligenkästle und Jesuswinkel, so eine richtige Stube. Ursprünglich war das Büro in Goßholz unten. Da habe ich noch eine blasse Erinnerung, wie sie
dort das alte Büro* geräumt haben, weil ich so fasziniert von der alten, mechanischen Rechenmaschine war.
Markus: Im Prinzip wurde für das neue Büro oben ein Zimmer von der Wohnung abgezwackt. Der hintere Teil war noch bewohnt, da war auch keine Toilette dabei, sondern
nur das nackte Bürozimmer, denn die Toilette war Bestandteil der Wohnung von Frau Fässler.
Georg: Die mussten dann quasi außen rumlaufen und ins Lager gehen - wilde Anfänge …
*Anmerkung der Redaktion: Das alte Büro (unten) befand sich bis 1971 in Goßholz 13, zwei Häuser weiter. Das neue Büro (oben) war über dem Laden (Wein- und Käsekeller).

KÄS: Habt Ihr jemals eine Verpflichtung dem Käsereierbe gegenüber gespürt? Oder anders formuliert, wurde seitens Eurer Eltern erwartet, dass Ihr in den Betrieb einsteigt, ihn weiterführt?
Markus: Nein, sie hätten es sich gewünscht, speziell unser Vater natürlich, aber erwartet haben sie es nicht.
Georg: Der Vater hat sich schon bemüht, uns ein bisschen was von seinem Geschäft zu zeigen, ganz klar.
Markus: Er wollte unser Interesse wecken und uns sicherlich auch für Firma und Produkt begeistern, aber er hat uns in keiner Weise unter Druck gesetzt.
Martina: Mitgearbeitet haben wir aber alle irgendwann mal. Ich kann mich an meinen ersten Job erinnern, nämlich das Frankieren der Aussendungen.
Georg: Ich habe mit 12 oder 13 den Raclettekäse geschmiert, das war mein erster Job. Ich habe in den Ferien auch auf allen drei Sennereien gearbeitet - in Grünenbach, Hopfen und damals hatten wir ja auch noch die Sennerei in Diepolz oben, da bin ich immer mit dem Fahrrad hingefahren. Dort hatte ich sogar ein Zimmer zum Übernachten, weil das zu weit weg war.
Markus: Ich hab mir teilweise Taschengeld dazuverdient beim Käs putzen. In den Sennereien war ich nie, sondern eher unten im Lager.

KÄS: Könnt Ihr Euch an die Großeltern, also die 3. Generation Baldauf, erinnern?
Markus: Der Großvater ist im Jahr 54 verstorben, also der war schon lange tot, bevor ich auf die Welt kam. Wen ich noch mitbekommen hab, war die Großmutter Frieda, eine liebe Frau, aber irgendwie auch recht behäbig.
Georg: Stimmt, sie hat selten das Haus verlassen und im Geschäft unten haben wir die Großmutter eigentlich gar nicht gesehen.

KÄS: Tauchte die Käserei in Eurem Alltag als Kinder auf?
Martina: Ich habe als Kind schon nicht verstanden, dass man den Käse in dünne Scheiben schneidet und dann verkauft. Also dieser Scheibenkäse, den der Vater von seiner
Arbeit bei Hochland oft mitgebracht hat, der war für mich mein erstes Käse-Trauma. Bei uns daheim auf dem Esstisch lagen immer die Kilo Stücke und nicht diese kleinen, dünnen, sehr gelben Zehn-Gramm-Scheibchen.
Markus: Ich habe als Kind Käse eigentlich gar nicht wirklich gemocht. Aber als er dann das erste Mal auf Pizza oder in Lasagne geschmolzen war, hat mir das sehr gut geschmeckt. So bin ich quasi an den Hartkäse herangeführt worden und irgendwann hat er mir dann auch im normalen Zustand geschmeckt …
Martina: Mein Highlight war immer Raclette. Bei uns daheim gab es richtige „Racletteschlachten“, das liebe ich heute noch.
Markus: Oft hat sich das Firmengeschehen am Wochenende bei uns widergespiegelt, weil der Vater ja unter der Woche bei Hochland gearbeitet hat und sich dadurch
hauptsächlich am Wochenende um die Firma kümmerte. Das war schon ein prägendes Element, weil er dann am Wochenende selten für uns Zeit hatte und mit der Arbeit
für Baldauf beschäftigt war.
Georg: Er hat sich ein großes Paket aufgeladen mit der Firmenübernahme. Der Grund war sicherlich auch das Versprechen seinem Vater gegenüber. Dann hat er auch noch
die Käsesorten gewechselt und das Geschäft, praktisch als Hobby, neu aufgebaut.
Markus: In der kurzen Zeit, die er zur Verfügung hatte, hat er schon extrem viel geleistet, aber für uns Kinder war es kein Spaß, weil er natürlich weniger Zeit für die Familie
hatte.
Georg: Das war mit Sicherheit ein Grund, warum wir als Kinder überhaupt nicht daran gedacht haben, ins Geschäft einzusteigen. Wir haben gesehen, wieviel Sorge, Arbeit
und Stress damit verbunden ist. Da konnten wir den Wert des großen Ganzen nicht wirklich erkennen.
Markus: Die Investitionen, die unser Vater getätigt hat, waren nur möglich, weil er in seiner Hauptarbeitsstelle entsprechend gut verdient hat und das Geld, das den Eltern
blieb, eins zu eins in die Firma weitergeleitet wurde.
Georg: Im Prinzip war seine Arbeit bei Hochland die Sicherheit der Firma Baldauf. Er hat mit großem Engagement und Risiko die Firma wieder aufgebaut, aber für uns war
das alles andere als lustig, weil er nicht da war und wenn, dann oft gestresst. Markus und ich hatten im Gegensatz zu Martina noch ein bisschen mehr von ihm, aber als er
den Direktorposten in Frankreich übernommen hat, war er überhaupt nicht mehr greifbar.
Martina (lacht): Mit dem Ergebnis, dass wir alle drei nach der Schule sofort das Allgäu verlassen haben und keiner daran dachte, jemals wieder hier zu sein.

KÄS: Das wäre die nächste Frage: wie war Euer Grundgefühl nach der Schule, eher bleiben oder schnell weg aus dem Allgäu?
Martina: Ich glaub nicht, dass irgendjemand nach der Schule dran gedacht hat einzusteigen. Markus, Du warst noch am ehesten dran, hast Du es mal ausprobiert?
Markus: Ich war mit dem Studium fertig und kam interimsweise für ein halbes Jahr, weil unser Vater so krank war. Das hat aber damals nicht in meine Lebensplanung
gepasst, denn ich war Mitte 20 und wollte mich erstmal irgendwo in der Welt beweisen.
Georg: Ich denke, dass man für so eine Geschäftsübernahme heutzutage schon mindestens über Dreißig sein sollte, um überhaupt so einen Laden führen zu können. Das
erfordert eine ausgereifte Persönlichkeit - wir waren alle blutjung damals.
Markus: Du musst ja auch erstmal Lebenserfahrung und fachliche Erfahrung sammeln. So eine Geschäftsleitung ist eine extrem anspruchsvolle Aufgabe, für die Du neben
den charakterlichen Eigenschaften auch fachliche Eignung haben musst. Dafür solltest Du dich schon in mehreren Unternehmen bewiesen haben.

KÄS: Jetzt gibt es ja auch schon die 6. Generation Baldauf, die bald mit einsteigen könnte. Wäre das vorstellbar, dass Eure Kinder den Betrieb leiten oder Vollzeit mitarbeiten?
Georg: Ich lasse das komplett offen. Wir haben die Firma saniert und in einen guten Zustand gebracht, also eine Chance mit Substanz geschaffen. Es wird sich zeigen, ob
das für jemanden von Relevanz ist. Wir können eigentlich nur schauen, dass das Ding attraktiv bleibt.
Markus: Genau, wir schauen, dass wir unsere Hausaufgaben machen, die Firma gut dasteht und letztendlich trotzdem personenunabhängig weiterläuft, wenn keiner aus
der Familie weitermachen will. Wenn jemand aus der Familie übernehmen möchte, würde mich das natürlich sehr freuen, aber ich ziele nicht darauf ab.
Martina: Vor allem ist es doch wichtiger, dass unsere Kinder tun können, was ihnen Spaß macht und auch liegt. Wenn das dann zufällig die Leitung einer Käsefirma ist,
schön und gut, dann kann man das natürlich unterstützen.
Markus: Ich würde das nie forcieren, weil ich aus eigener, beruflicher Erfahrung weiß, wie es ist, wenn versucht wird, jemanden in etwas hineinzuzwängen.
Georg: Selbst wenn eines der Kinder das gerne möchte, würde ich schon auf die Eignung schauen. Ich will sehen, dass sie oder er menschlich und fachlich in der Lage ist, die Anforderungen zu erfüllen.
Markus: Als Du noch nicht in der Firma warst, gab es ja auch einen externen Geschäftsführer über lange Jahre, der die Firma geleitet hat, weil keines der Familienmitglieder
zum damaligen Zeitpunkt zur Verfügung stand. Das ist durchaus eine Option, über die man ernsthaft nachdenken kann.
Georg: Ich versuche als Geschäftsführer, die Firmenorganisation so aufzubauen, dass Baldauf für sich selbst steht. Wenn eine oder einer aus unserer Familie irgendwann mal denkt, ihre oder seine Visionen verwirklichen zu wollen, dann haben sie alle Chancen. Die Firma ist für mich ein Art Modell, wie Milchverarbeitung im Allgäu laufen kann -
ein florierendes, ökologisch ausgerichtetes, soziales Unternehmen, als Zugewinn für die Gemeinschaft. Genau so soll es bleiben, das wünsche ich mir.
Markus: Alle Beteiligten - also Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Milchbauern, Gemeinde, natürlich auch die Gesellschaft sollen Freude und Spaß an dem Ganzen haben.

KÄS: Wie läuft die Zusammenarbeit unter Geschwistern ab, wie werden gemeinsam Entscheidungen getroffen?
Georg: Unsere Einigkeit ist sicherlich einer der großen Faktoren, warum sich Baldauf die letzten Jahre so gut entwickelt hat - unser gemeinsamer Wille das Geschäft zu
erweitern und auch die Einigkeit, dass man dafür einen Beitrag zu leisten hat. Deshalb haben wir alle drei unser Vermögen im Geschäft gelassen.
Martina: Die wichtigen Entscheidungen fällen wir immer zu dritt und schauen, dass wir uns einig sind. Worauf die beiden Brüder ganz einig nicken und alle lachen
müssen.
Georg: Wir sind nicht darauf angewiesen, irgendwelche Mittel aus dem Geschäft abzuzweigen, um unser Leben zu bewerkstelligen. Deshalb konnten wir so schnell wachsen und modernisieren. Wachstum ist das eine, aber man muss auch die Mittel bereitstellen, um so eine umfassende Modernisierung, wie wir sie jetzt seit zehn Jahren betreiben, tatsächlich umzusetzen. Wenn wir uns nicht so einig wären und uns ständig um Budgets streiten würden, wäre das alles nicht möglich gewesen.
Martina: Von uns lebt keiner auf so großem Fuß, dass er Gelder aus der Firma ziehen müsste, um den Porsche zu finanzieren. Grundsätzlich respektieren und verstehen wir uns gut. Sollte es doch mal etwas geben, wird darüber geredet.
Markus: Genau, dann diskutieren wir das aus.
Georg: Unsere Stärke ist auch die Aufteilung der Kompetenzen. Jeder von uns konnte und kann sich einbringen: Markus mit seinen finanztechnischen Skills, Martina hat
das komplette Marketing überarbeitet und ich kümmere mich um die Technik, die Organisation der Abläufe. Sprich, da respektiert jeder die anderen auf ihrem Gebiet.
Martina: Wir können uns mittlerweile alle viel mehr mit der Firma identifizieren als früher.
Georg: Ich dachte eigentlich nie, dass ich einsteigen will. Und dann ging vor zehn Jahren ganz plötzlich dieses Fenster auf: jetzt ist die Möglichkeit, jetzt investieren wir.
Markus: Ja, das war damals eine sehr günstige Konstellation.
Georg: Genau im richtigen Zeitpunkt die Chance gekriegt, genutzt und voll ausgeschöpft. Ein bisschen Glück war natürlich dabei, aber hauptsächlich Entschlossenheit. So sind wir halt, wir Baldaufs.
Und wieder lacht die Runde in trauter Einigkeit.

KÄS: Was fasziniert Euch am Käse?
Georg: Die Komplexität guten Käse zu machen, die ganze Organisation und die Technik Drumherum. Käse ist ein zeitloses Produkt, den gab es schon vor tausenden von
Jahren und trotzdem kann man ihn immer wieder neu erfinden und einsetzen. Das ganze Prinzip fasziniert mich, gerade als Maschinenbauer, denn auch der Käse ist ein
Stück Entwicklungsarbeit.
Markus: Ein gewaltiges Stück sogar. Das ist einer der Vorteile Deines Engagements, dass Du unsere Qualitätssicherung so gut hinbekommen hast. Wenn man  systematisch rangeht wie Du, den Grundprozess aufsetzt und kontrolliert, dann wird das natürlich mit der Stabilität versehen, die wir für unser Geschäft brauchen.
Georg: Es war sicherlich gar nicht so blöd als Quereinsteiger, als Entwicklungsingenieur in den Lebensmittelbereich reinzugehen, weil ich ja dieselben Prinzipien anwenden
konnte, rein systematisch gesehen. Ich freue mich irrsinnig, dass wir qualitätsmäßig inzwischen konstant mit unserem Baldaufkäse an der Weltspitze sind.


Unser Gespräch könnte ewig so weitergehen ... draußen dämmert langsam der Abend. Georg und Martina decken den Tisch, packen die Käsestücke auf Brotzeitbretter und
man kann sich nur zu gut vorstellen, wie die drei jungen Baldaufs früher beim Abendessen saßen …